Köhler: "Rot-Schwarz schlimmstes Übel" Drucken

Interview mit Thomas Köhler

Die Presse: Herr Dr. Köhler, was darf man sich unter Ihrer "Initiative Christdemokratie" vorstellen?

Thomas Köhler: Wir sind eine Plattform, die außerhalb der Strukturen der ÖVP gegründet wurde, um auch Intellektuellen und Künstlern die Möglichkeit zu geben, rund um die ÖVP anzudocken.

Wie soll die Volkspartei denn Ihrer Meinung nach nun sein: eher liberal oder eher sozial?

Köhler: Christdemokratie ist für uns eine Klammer für christlich-liberal, christlich-sozial und christlich-konservativ. Die ÖVP hat aber bislang sicherlich keine neoliberale Politik gemacht- wie ihr von der linkspopulistischen SPÖ oft vorgeworfen wird. Die ÖVP ist allerdings eine Partei, die nach wie vor zu sehr bündisch strukturiert ist - das schreckt Intellektuelle ab. Gesellschaftspolitisch braucht die ÖVP sicher eine Öffnung.

Um es an einer Person festzumachen: Wer macht denn Ihren Vorstellungen entsprechend "christdemokratische" Politik?

Köhler: In Österreich möchte ich da bewusst niemanden hervorheben. In Deutschland fielen mir da etwa Heiner Geißler oder Richard von Weizsäcker ein. Ein Geißler oder Weizsäcker der jüngeren Generation fehlt der ÖVP sicher.

Karl-Heinz Grasser füllt dieses Vakuum nicht aus?

Köhler: Dazu möchte ich mich nicht äußern.

Und Josef Pröll?

Köhler: Ich habe bislang wenig Inhaltliches von ihm gehört.

Sind Sie Großkoalitionär?

Köhler: Nein. Absolut nicht. Das wäre das schlimmste Übel, das Österreich passieren könnte. Große Koalitionen haben nur dann einen Sinn, wenn sie große Würfe vorhaben. Was man bisher hört, ist der große Wurf bei der sich abzeichnenden großen Koalition keinesfalls gegeben. Eine große Koalition würde vor allem einer Partei nützen: der FPÖ, der Partei der deutschen Minderheit.

Was empfehlen Sie der ÖVP?

Köhler: Sie soll keine Koalition mit der SPÖ eingehen. Die Koalitionsfrage mit der FPÖ stellt sich nicht, da diese sich selbst aus dem Spiel genommen hat . . .

Sie würden eine Koalition mit der FPÖ bevorzugen?

Köhler: Nein, momentan nicht. Die FPÖ ist heute extremer als im Jahr 2000. Wir sind für eine Koalition mit den Grünen - nur geht sich das leider nicht aus. Daher wäre es das Beste für die ÖVP, in Opposition zu gehen. Am 24. November 2002 war der Heilige Abend der ÖVP, damals wäre für Schüssel alles möglich gewesen, leider hat er es verabsäumt, die ÖVP strukturell zu ändern und eine Koalition mit den Grünen zu bilden. Zum Aufbrechen der verkrusteten politischen Struktur in Österreich wäre allerdings die Einführung eines Mehrheitswahlrechts nach englischem Vorbild nötig.