Nicht ins offene Messer laufen
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von Thomas Köhler 

Will die ÖVP mögliche Wahlen im Herbst nicht verlieren, muss sie einem U-Ausschuss jetzt zustimmen.

Viele Hoffnungen wurden enttäuscht: Nach den Äußerungen von Alfred Gusenbauer zu vorgezogener Steuerreform in der ORF-Pressestunde vom vergangenen Sonntag kann von Entspannung weiter keine Rede sein. Im Gegenteil, das Prozedere der Eskalation verläuft zügig. Dazu hatten seitens der SPÖ zuvor bereits Josef Cap, Michael Häupl und Barbara Prammer beigetragen. Mit jeder ihrer Meldungen wurden die Latten höher gelegt. Eine Zustimmung der ÖVP schien von Mal zu Mal schwieriger. Egal wie man, pars pro toto, zu einer Figur wie Hannes Missethon, stehen mag - aber mit seiner Meinung, wonach sich die "Volkspartei" sicher "keinen Skandal in die Schuhe schieben" lasse, der seinen eigentlichen "Ursprung im sozialistischen Milieu" der Wiener Polizei habe, hat er vielen ÖVP-Funktionären aus der Seele gesprochen. Gusenbauers aktuelle Sager im ORF waren mit ihren den Zeitplan der Koalition in Frage stellenden neuen Bedingungen jedenfalls keineswegs dazu geeignet, die ÖVP nicht wieder zu "magerln". Setzte der SPÖ-Vorsitzende die Provokation freilich bewusst, und wer freut sich, jenseits der "Sozialisten" (Missethon), vielleicht noch darüber?

SPÖ-Option Minderheitsregierung

Schon in der vergangenen Woche war ans Licht gekommen, dass es, wenn die Große Koalition an der Causa Haidinger zerbricht, für die SPÖ nicht nur die Option sofortiger Neuwahlen gibt. Vielmehr bastle im schummrigen Hintergrund Spin-Doctor Josef Kalina, immer in Absprache mit Kronen-Zeitung, Parlamentsklub und Wiener Landespartei (weniger aber Bundesregierung!), an einer weiteren Option: einer SPÖ-geführten Minderheitsregierung, eingesetzt auf die Dauer eines Untersuchungsausschusse und geduldet von der linken und/oder rechten Opposition. Seitens der Grünen zeigte sich Bundesgeschäftsführerin Michaela Sburni, Kalinas Pendant, für neue Kooperationen offen. Jörg Haider und Peter Westenthaler sowieso. Nur HC Strache und seine Arbeiterpartei halten sich bedeckt.

Was auf den ersten Blick abenteuerlich klingt, ist auf den zweiten fast schon genial. Denn in einer solchen Konstellation gingen der ÖVP quasi von heute auf morgen nicht nur alle Ressourcen ihrer Ministerien verloren und könnte der U-Ausschuss all deren Verfehlungen ohne Blockade zu Lasten des früheren Partners hemmungslos "aufklären". Vielmehr sollte parallel dazu mit symbolischen Akten wie einer Abschaffung der Studiengebühr, einer kurzfristigen Inflationsabgeltung oder einer auf Vermögensbesteuerung basierenden Steuerreform endlich Versprechen (nicht Versprecher) gehalten werden, die man zu brechen der Gusenbauer/Cap/Kalina-SPÖ doch so oft vorgeworfen hatte.

Mit beiden "Boni" - den die ÖVP politisch vorhersehbar dann noch massiver belastenden Ergebnissen des U-Ausschusses sowie den endlich eingelösten Versprechen "sozialer Wärme" - ginge die SPÖ, so der Spin-Masterplan, in die Neuwahlen im Herbst. In jeder Hinsicht hätte die ÖVP den "schwarzen Peter". Das Ergebnis wäre klar: Entweder ergäbe sich endlich die von der SPÖ-Linken heiß ersehnte Koalitionsmöglichkeit mit den Grünen (vor diesem Hintergrund ist auch die SPÖ-interne Angst vor der Gründung einer österreichischen Variante der deutschen Partei "Die Linke" nicht zu unterschätzen!) - oder man zwänge eine zwar stark geschwächte, aber vom Druck der Wirtschaft doch dazu gedrängte ÖVP wieder in eine Koalition. Diesmal mit deutlicher Mehrheit für die SPÖ und mehreren Ministerien, darunter jenem der an der Basis immer noch SPÖ-dominierten Polizei. Der größte Unsicherheitsfaktor dabei, der harmoniesüchtige Heinz Fischer, wäre "im Zweifel immer noch Parteisoldat genug".

Was folgt daraus für die ÖVP? Will sie das geschilderte realistische Szenario rechtzeitig verhindern, muss sie einem U-Ausschuss noch in dieser Woche zustimmen. Damit unterläuft sie nicht nur den Masterplan der SPÖ, sondern hat es auch selbst in der Hand, gemeinsam mit den anderen Parteien Verfahren und Personalia des U-Ausschusses zu bestimmen. Sie wäre davon nicht ausgeschlossen und ein fairer Ablauf eher garantiert. Die möglichen Wählerverluste im Herbst in den Meinungsumfragen hätten weit geringere Bedeutung als jene sicheren bei Neuwahlen.

Ein Einschluss der ÖVP in die maßgebenden Entscheidungen des Ausschusses hätte außerdem und nicht zuletzt zur Folge, dass dessen Ergebnisse differenzierter ausfallen und nicht den Charakter eines Tribunals aller gegen einen haben. Das kann der Wahrheitsfindung nur dienen. Hoffentlich.

Nicht zu früh freuen

Worauf sollte die ÖVP indes nicht hoffen? Dass es keine SPÖ-Minderheitsregierung geben wird. Dass diese keine mediale Unterstützung der Kronen-Zeitung haben wird. Dass Wahlen im Herbst für sie aus der Opposition rebus sic stantibus gewonnen werden können. Dass manche ihrer führenden Köpfe keine Revanchisten, Hasardeure und Fatalisten sind.

Hop oder drop - eine leichte Devise, wenn man selbst nur wenig Perspektive hat. Weder Gusenbauer, Cap und Kalina noch manche in der ÖVP selbst sollten sich zu früh freuen.

 
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