Roter Rückenwind für Schwarz-Grün?
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ÖVP und Grüne stehen in ihrer Empörung über den „Sündenfall“ der SP-Spitze argumentativ auf einer Linie: Die Tage des Links-Rechts-Denkens in der Austro-Parteienlandschaft könnten gezählt sein.

von Christian Mertens


Seit wenigen Tagen ist klar, welchen „Zukunfts“weg die SPÖ einschlagen wird, um ihre Schäfchen (sprich: Wählerinnen und Wähler) ins Trockene zu bringen: Sie sucht ihr Heil im Populismus und verkauft ihre Seele „Mephisto“ Hans Dichand. Österreichs konventionelle und Österreichs nationale Sozialisten kommen einander durch diesen Schritt noch näher. Wird unter der Patronanz des berühmt-berüchtigten Kleinformats schon demnächst das Aufgebot einer rot-blauen Hochzeit bestellt?

Endlich wäre der Gemeindebau wieder familiär vereint. Man könnte sich gegen alle „Anderen“ (insbesondere Ausländer, Landbewohner und „Studierte“) abgrenzen und es sich dank höherer Budgetdefizite (auch hier berühren sich SPÖ und FPÖ!) endlich wieder gemütlich im „Schrebergarten Österreich“ machen. Dazu ein gehöriger Schuss „Brot und Spiele“-Eventkultur à la Häupl – aber ohne zuviel „Multikulti“ bitteschön. Um Skeptiker zu überzeugen, dass dieser „österreichische Weg“ der richtige wäre (O-Ton: Wir sind und selbst genug!) wäre Aufgabe der stereotypen, aber nichts desto weniger lauten Begleitmusik des Dichand-Orchesters  

ÖVP und Grüne stehen in ihrer Empörung über den „Sündenfall“ der SPÖ argumentativ in der gleichen Linie, wobei anzumerken ist, dass Van der Bellen oder Voggenhuber die Kritik deutlicher auf den Punkt zu bringen wissen als so manche übervorsichtig argumentierende ÖVP-Politiker. Einmal mehr finden sie sich auf der gleichen Seite des politischen Diskurses wieder.

Rot-blau versus schwarz-grün? Kann, ja darf es diese politischen Paarungen jenseits der althergebrachten Links-Rechts-Achse überhaupt geben, hört man in manchen politischen und – leider auch manchmal – in politikwissenschaftlichen Kreisen. Eine undenkbare Variante ist Schwarz-Grün heute nur mehr für in konventioneller Erstarrung verhaftete Betrachter. Der deutsche Historiker Paul Nolte hat schon vor Jahren – mit Blick auf die damalige rot-grüne deutsche Koalition – gefordert, dass „die Prioritäten der Reform genau andersherum gesetzt werden müssten. ... An die Stelle der Kombination aus Machbarkeitsidee und realer Stagnation müsste eine Verbindung aus realer Veränderung und Machbarkeitsskepsis treten.“ Nolte nennt es „Reformprojekt einer neuen bürgerlichen Gesellschaft“ mit Aspekten wie moralischer Nachhaltigkeit als Gegenpart zur Modernitätsdynamik, Stärkung persönlicher Verantwortung und Sinn für kulturelle Identität.

In die gleiche Kerbe schlägt der grüne Vordenker Ralf Fücks, Vorstand des Heinrich Böll-Stiftung. Für ihn steht Schwarz-Grün „für eine neue Bürgerlichkeit“, in der sich das Leitbild der Bürgergesellschaft (die freilich mehr umfasst als das Vereinswesen), die stärkere Betonung von Selbstverantwortung und Eigeninitiative sowie die Wiederentdeckung der Familie in einem neuen Verständnis, das auch allein erziehende Mütter und Väter mit einschließt.

Die Gedanke sind 1 zu 1 auf Österreich übertragbar: Wer, wenn nicht die zwei wertorientierten Gruppen des österreichischen Parteiensystems sind dazu berufen, Österreich mit Maß und Ziel zu reformieren! Die wahre Trennlinie in Österreichs Politik geht nicht zwischen einem (wie immer definierten) „bürgerlichen“ und einem (wie immer definierten) „linken“ Lager, sondern zwischen veränderungswilligen und beharrenden, populistischen Kräften. Unser Land braucht mehr Mut zur Zukunft statt sich an althergebrachten Strukturen ängstlich anzuklammern, mehr Freiheit und Eigenverantwortung statt bürokratischer und politischer Bevormundung und einen offenen Blick für jene, die sich selbst nicht oder ungenügend artikulieren können.

Die Chancen einer schwarz-grünen Koalition liegen für die Grünen darin, grüne Themen in Regierungspolitik umgießen zu können. Für die ÖVP bedeutet eine derartige Kooperation die Stärkung des in den bisherigen Koalitionen eher vernachlässigten sozialliberalen Elements der Christdemokratie. Dabei geht es um Themen wie eine Asylpolitik mit Augenmaß, eine nachhaltige Integrationspolitik, vor allem in den Bereichen Wohn-, Sozial- und Demokratiepolitik, die Implementierung klarer ethischer Rahmenbedingungen in Forschung und Technik, eine ökologische Steuerreform, die Stärkung des privaten Elements im Sozialbereich gegenüber bürokratischen Anbietern, die stärkere Förderung von Begabung und Kreativität im Bildungsbereich und vieles mehr.

Das eine derartige Kooperation nicht nur denkmöglich ist, sondern auch gut funktionieren kann, beweisen etwa die Beispiele Graz, Hamburg, Oberösterreich sowie eine ganze Reihe weiterer schwarz-grüner Modelle auf kommunaler Ebene. Auch in Tschechien arbeiten Christdemokraten und Grüne gemeinsam in einer Koalition (wenn auch mit der eher Europa-skeptischen liberal-konservativen ODS, die am ehesten mit der englischen Conservative Party vergleichbar ist).

„lechts und rinks kann man nicht velwechsern. werch ein illtum“, schrieb einst Ernst Jandl in einem Gedicht. Es wird Zeit, auch in der Beurteilung der österreichischen Parteienlandschaft in der Postmoderne anzukommen.  

Christian Mertens ist Historiker und Mitbegründer der sozialliberalen „Initiative Christdemokratie“ (ICD) in der ÖVP. 

 
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