Lieber Euro als Franken Drucken

von Thomas Köhler 

Geschichtsunterricht für FP-Chef Strache

Ein wenig Geschichtsunterricht für FPÖ-Chef Strache, der nach den eher dürftigen Erfolgen der Anti-Islam-Parolen seiner Fraktion im Grazer Wahlkampf den Blick wieder mehr auf vermeintliche Bedrohungen aus dem Westen richtet und im Kampf gegen „die in Brüssel“ einen Anschluss Österreichs an die Schweiz propagiert.

Die Wahlen in Graz sind geschlagen, der Hype um die steirischen „Freiheitlichen“ hat sich gelegt, gelohnt haben sich die Attacken gegen den Islam für die Deutschnationalen österreichweit nicht. Ein Anlass mehr, die Aufmerksamkeit wieder mehr auf die europäische Bühne zu lenken Gerade hier nämlich will „H.-C.“ Strache – als selbsternannter „Retter Wiens“ – künftig punkten: mit einer rückwärtsgewandten Geschichtspolitik gegen die EU.
Weil das historische Gedächtnis – nicht nur – Straches kurz ist, kann man es nicht oft genug betonen: Die EU war und ist vor allen Dingen ein Friedensprojekt. Die über Jahrhunderte verfeindeten Staaten Europas allgemein bzw. Deutschland und Frankreich insbesondere sollten in einer neuen Gemeinschaft auf Dauer verbunden werden. Auch der Euro ist in diesem Sinn weniger Geld und Währung, sondern steht in erster Linie für die Überwindung der Nationalismen der europäischen Geschichte, auch der deutschen.

Späteste Nation überhaupt

Viele wird es wundern: Unter den Völkern der Europäischen Union bildet Österreich die späteste Nation überhaupt. Gemessen an der Gründung ihrer Nationalstaaten, bezeichnet man in der Historie etwa Franzosen oder Spanier (um 1000 bzw. 1500) als ‚frühe‘ bzw. Deutsche oder Italiener (jeweils 19. Jahrhundert) als ‚verspätete Nationen‘. In der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts bekannten sich die Österreicher ambivalent zum (neuen) österreichischen (Klein-)Staat und permanent zur deutschen Nation. Dass sie die „besseren Deutschen“ seien oder dass gegen den ‚Anschluss‘ an das Dritte Reich „kein deutsches Blut vergossen“ werden solle, waren verhängnisvolle Wortmeldungen des Ständestaats, zu denen nicht nur alle Deutschnationalen sondern auch viele Sozialdemokraten – verblendet – nickten.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg trennte sich nicht nur das wieder erstandene Österreich völlig von Deutschland als Staat; vielmehr lösten sich Schritt für Schritt auch die Österreicher von der deutschen Nation, bis sich schließlich in den 1980er Jahren laut Statistik Austria mehr als 90 Prozent zur Existenz einer österreichischen Nation bekannten. Und damit jene, die sich in Österreich nach wie vor als „Deutsche“ bezeichnen, zur Minderheit geworden waren. Wenngleich dieser Minorität die gesetzliche Anerkennung versagt blieb, versucht ihr allerdings eine Partei durch historische Rückgriffe und aktuelle Populismen immer wieder zumindest politisches Gewicht zu verleihen.

Zu lang am Rand

Tatsächlich lag Wien viel zu lang am Rand der (westlichen) Welt. Die toten Grenzen zum ‚Ost-Block‘ gaben der ehemals weiten Stadt keine große Bühne. Grau waren nicht nur die Straßen und Plätze. Im Hinterland galten etwa auch das Wald- und Weinviertel als sterbende Regionen.

Die Öffnung der EU nach Mittel- und Osteuropa hat diesen Zustand beendet. Die Landschaften blühen wieder, die Wirtschaft expandiert, die Gesellschaften tauschen sich aus, und Wien wird bunter. Die Vorteile der europäischen Einigung und Migration überwiegen die Nachteile bei weitem. Doch Strache verdrängt die Chancen, überhöht die Risken – und geht dabei – im Zuge seiner jüngsten Propagierung eines möglichen Austritts Österreichs aus der EU zugunsten einer Allianz mit der Schweiz, sogar soweit, den „bösen Euro“ gegen einen „guten Franken“ eintauschen zu wollen. Die Schweiz mit ihrer Währung als neues ‚besseres Deutschland‘?

Vielleicht erinnert sich der Obmann der Partei der deutschen Minderheit nostalgisch dabei daran, dass es die Franken waren, die (vgl. oben) das erste deutsche Reich begründeten. Dennoch gelangt er auch hier verspätet zum falschen Ziel. Denn die Überlegung, einen ‚Franken‘ als europäische Währung einzuführen, wälzten vormals schon Mitterrand und Kohl. Dass es dann doch nicht dazu kam, scheiterte freilich nicht am sozialistischen oder christdemokratischen Vertreter des frühen Frankreich bzw. des verspäteten Deutschland; sondern am praktischen Einwand des Spaniers Felipe Gonzalez; desselben also, der heute die neue Weisen-Gruppe zur EU-Zukunft nach ‚Lissabon‘ leiten soll: Der Franken als europäische Einheit, so Gonzalez, wäre in Spanien völlig unmöglich. Übersetzt hieße der nämlich „un Franco“. Strache sollte den Vergleich also besser scheuen. Der Zweite Weltkrieg und seine Faschismen mögen passé bleiben.

Zur Person
Thomas Köhler, in den frühen 90er-Jahren Berater von Erhard Busek, ist Bereichsleiter für Kreativitätsförderung im Bildungsministerium.